„Die Schüler werden groß hier“
Zwei Klassen der Otfried-Preußler-Schule werden jetzt in den Gewerblichen Schulen unterrichtet
Von Frank Rademacher
Die Wiedergabe des Artikel erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der VRM Wetzlar GmbH
DILLENBURG. Not macht bekanntlich erfinderisch – und die Platznot der Otfried-Preußler-Schule in Dillenburg ist schon seit dem vergangenen Jahr richtig groß. Für die aktuell 16 Klassen der Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und einer Abteilung für körperliche und motorische Entwicklung stehen nur ein Dutzend Klassenräume zur Verfügung.
Deshalb waren schon im vergangenen Jahr zwei Klassen an die Grundschule nach Donsbach ausgelagert worden, seit den Sommerferien werden zwei weitere Klassen an den Gewerblichen Schulen unterrichtet. Die Anfrage sei auf dem kleinen Dienstweg gekommen, berichtet deren Schulleiter Jonas Dormagen. „Wir leisten gerne Amtshilfe“, erklärt er, schließlich nutze man selbst auch die Aula der Nachbarschule.
Seine Kollegin Elisabeth Cloos, Leiterin der Otfried-Preußler-Schule, ist auch Wochen nach Beginn des Schuljahres noch „ganz begeistert“ über die Zusage der Berufsschule. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Notlösung zu so etwas wie einem Glücksfall entwickelt. „Die Schüler werden groß hier“, berichtet Klassenlehrerin Christiane Huber-Krahmer.
Sie seien nicht nur sehr freundlich aufgenommen worden, die Schüler fänden es klasse in „ihrer neuen Schule“. „Sie fühlen sich erwachsener“, beschreibt sie die Wirkung, die durch das neue Umfeld entstanden ist. So hätten auch die Bedenken einiger Eltern schnell ausgeräumt werden können.
In den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen an der Otfried-Preußler-Schule um 50 Prozent auf derzeit 121 gestiegen. Warum das so ist, dafür hat auch Elisabeth Cloos keine wirkliche Erklärung. Im vergangenen Jahr seien es viele Migranten-Schüler gewesen, in diesem Jahr sei das aber gar nicht der Fall. Die Entwicklung ist auch kein Dillenburger Sonderfall, denn die Friedrich-Fröbel-Schule in Wetzlar weise die gleiche Entwicklung auf.
Deshalb ist die Hoffnung an der Otfried-Preußler-Schule, die 2014 bis 2016 komplett renoviert worden war, groß, dass der Kreis die Schule erweitert. „Vier zusätzliche Klassen sollten es sein“, erklärt Elisabeth Cloos. Sie weiß aber auch, dass eine solche Erweiterung ein Projekt ist, das nicht auf die Schnelle umgesetzt wird.
Anders als beim aktuellen Umzug der beiden Klassen an die Dill. Patrick Stäcker, beim Lahn-Dill-Kreis Objektmanager für die Gewerblichen Schulen, und seine für die Otfried-Preußler-Schule zuständige Kollegin Anke Kozina hatten die Sommerferien genutzt, um alles für den Umzug der 17 Schüler vorzubereiten. Rund 25.000 Euro wurden dafür investiert, zwei Klassenräume umgestaltet und mit jeweils einer Küchenzeile ausgerüstet. Unterstützt worden war das Projekt von den Hausmeistern der Gewerblichen Schulen, wie Schulleiter Dormagen berichtet. „Wir sind eine gewerbliche Schule“, sagt er, soll heißen, dass derlei bauliche Arbeiten zur Kernkompetenz der Berufsschule gehören.
Und sein Stellvertreter Burkhard Schneider verweist auf die schon bestehende Kooperation der beiden Schulen. Für die Fachschule für Sozialwesen biete sich durch die neuen Schüler möglicherweise eine Gelegenheit für weitere Kooperationen. Für die Otfried-Preußler-Schüler, die später in ihrer Schullaufbahn ohnehin einen Tag an den Gewerblichen Schulen sind, gestaltet sich der Übergang von der Schule zur Arbeit noch etwas fließender. Für sie biete sich nun „eine ganz andere Teilhabe am normalen Leben“, beschreibt Christiane Huber-Krahmer die Veränderung für ihre Schüler.
Notlösung soll nicht von Dauer sein
Ob aus der Notlösung eine von Dauer wird, ist noch nicht ausgemacht. Diese Form der „gelebten Inklusion“, gehe nicht mit allen Kindern, schränkt Elisabeth Cloos die Möglichkeiten ein. Zwar ist durch Aufzüge die Barrierefreiheit in den Gewerblichen Schulen gegeben, sodass auch zwei auf den Rollstuhl angewiesene Schüler mit von der Partie sein können. Mittelfristig sei es aber das Ziel, wieder alle Schüler an der Otfried-Preußler-Schule unterrichten zu können.
Eine Zergliederung der Schule sei auch mit Nachteilen verbunden, bestätigt Burkhard Schneider. Deshalb hätten die Gewerblichen Schulen ihre Auslagerung nach Niederscheld wieder rückgängig gemacht. „Vielleicht zwei Jahre“, geht auch Schneider vorerst nicht von einer langfristigen Gastgeber-Rolle für die Otfried-Preußler-Schüler aus.